PM-Standards
PM-Standards
Die steigende Bedeutung von Projektmanagement hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten vermehrt dazu geführt, dass eine Vielzahl von Organisationen, Systemen und Standards entstanden sind. Die wichtigsten von ihnen werden in der Folge hier dargestellt.
Projektmanagement wird als komplexes Handlungsfeld im Management von verschiedenen Organisationen und Verbänden repräsentiert, die alle auch eine Systematisierung vorgenommen haben.
Je nach kulturellem Hintergrund haben sich so verschiedenen Projektmanagementansätze herausgebildet, die in unterschiedlichen Konzepten und auch Zertifizierungen für das betroffenen Personal münden.
Als wesentliche internationale Organisationen und Konzepte sind die International Project Management Association (IPMA) und das Project Management Institute (PMI) zu nennen. Desweiteren kommt als weit verbreiteter Standard Prince2 hinzu, der aktuell vom britischen Office of Government Commerce (OGC), einer Regierungsorganisation, herausgegeben wird.
Neben diesen Organisationen haben sich diverse Projektmanagementstandards herausgebildet, die im wesentlichen auf mehr oder weniger verschiedenen Vorgehensmodellen beruhen und alle das Ziel verfolgen den Projekterfolg im klassischen Spannungsfeld von Terminen, Ressourcen und Ergebnissen zu maximieren.
International Project Management Association
Die International Project Management Association (IPMA) ist ein weltweiter Dachverband verschiedener nationaler Projektmanagementverbände. In Deutschland wird sie durch die Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) vertreten. In der Vergangenheit hat sich vor allem die GPM als Treiber der Entwicklung innerhalb der IPMA erwiesen. Grundlage des Projektmanagementverständnisses der IPMA ist die International Competence Baseline (ICB), die derzeit in der Version 3.0 gültig ist. Von ihr abgeleitet existieren verschiedenen National Competence Baselines (NCB) die aber üblicherweise nur Übersetzungen der ICB in die jeweilige Landessprache darstellen.
Der Kompetenzbegriff der IPMA
Der Ansatz der IPMA ist kompetenzorientiert. Konkret bedeutet dies, dass Grundlage des Konzeptes der Kompetenzbegriff ist, der wie im Folgenden beschrieben verstanden wird.
Um im Projektmanagement erfolgreich agieren zu können, ist es notwendig, dass die handelnden Personen über die notwendige Kompetenz verfügen, die sich aus folgenden Bestandteilen ergibt:
- Zuständigkeit
- Befugnis
- Wissen
- Können und Fähigkeit
- Erfahrung
- Einstellung
Verkürzt dargestellt geht der Ansatz davon aus, dass eine hinreichende Kompetenz der beteiligten Personen es diesen ermöglicht auch in dynamischen Umfeldern erfolgreich agieren zu können. Im Gegensatz zum PMI-Ansatz, der stärker prozessorientiert ist, wird den in die Projektarbeit eingebundenen Personen kein Prozessmodell mit an die Hand gegeben, dass vorgibt wann im Projekt was zu tun ist. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass kompetente Personen dies viel besser situativ selbst entscheiden können. Allerdings nimmt die IPMA in ihrer aktuellen International Competence Baseline (ICB) auch Bezug auf das Prozessmodell der neuen DIN 69901, die in Ihrer seit Anfang 2009 gültigen Fassung ebenfalls ein Prozessmodell in den Mittelpunkt stellt.
Kompetenzelemente der ICB
Ihrem kompetenzorientierten Ansatz folgenden gliedert die IPMA in ihrer ICB Projektmanagement in verschiedenen Kompetenzelemente. Dabei werden im Wesentlichen drei Kompetenzarten unterschieden:
- Projektmanagementtechnische Kompetenzen
- Verhaltenskompetenzen
- Kontextkompetenzen
Seit 2009 gibt es darüber hinaus noch die PMC-Kompetenzen. Während die ersten drei Kompetenzarten für Projektmanager relevant sind, wird von Beratern (Project Management Consultants, PMC) ein um Beratungskompetenzen erweitertes Kompetenzspektrum erwartet:
Die Kompetenzelemente sind in der ICB knapp beschrieben. Darüber hinaus hat die GPM ein 2.700 Seiten starkes Buch veröffentlicht in dem jedes Kompetenzelement ausführlich beschrieben wird.
Das Zertifizierungssystem der IPMA
Das Zertifizierungssystem der IPMA gilt in Fachkreisen als das weltweit anspruchvollste Zertifizierungssystem im Bereich des Projektmanagements. Es bietet eine 4-Levelzertifizierung von Level D als niedrigstem bis zum Level A als höchstem Level an. Parallel zu den Projektmanagerzertifizierungen existiert seit 2009 die Zertifizierung zum Certified Project Management Consultant bei der zusätzlich zu den projektmanagementspezifischen Kompetenzelementen auch die beratungsspezifischen Kompetenzelemente abgeprüft werden. Deshalb ist ein CPMC-Zertifikat gleichen Levels grundsätzlich höher einzustufen als ein gleichwertiges PM-Zertifikat, da neben den entsprechenden Erfahrungen und Wissen zum PM auch Beratungskompetenzen nachgewiesen werden müssen.
Sowohl die PM-Zertifizierung als auch die CPMC-Zertifizierung sind zweistufig aufgebaut. Neben einer formalen Prüfung der einzureichenden, umfangreichen Erfahrungsnachweise und Tätigkeitsberichte sowie einer anzufertigenden Projektstudienarbeit findet eine mehrstündige Wissensprüfung und bei den Leveln C bis A auch ein Assessment-Center statt.
Die Level werden wie folgt beschrieben:
Level | Projektmanager | PM-Berater (CPMC) |
---|---|---|
A | Projektmanagementdirektor | Executive PM Consultant |
Er ist verantwortlich für das Portfolio eines Unternehmens oder eines Tochterunternehmens und leistet einen Beitrag zum Strategischen Management eines Unternehmens. Des Weiteren ist er verantwortlich für die Entwicklung von PM-Prozessen. | Er berät Unternehmen auf der Führungsebene in den Feldern Strategische PM-Beratung, Organisationale Entwicklung, Vorbereitung auf Assessments oder Zertifizierung. Die Beratungstätigkeit umfasst Projekt-Portfolios oder Multiprojekt-Management. | |
B | Seniorprojektmanager | Senior PM Consultant |
Er ist für alle Kompetenzelemente eines komplexen Projektes verantwortlich und nimmt eine allgemeine Managementfunktion wahr. Zusätzlich bedient er sich angemessener PM-Prozesse, Tools und Methoden. | Er hat Erfahrung mit bekannten Beratungs-Methoden und -Instrumenten sowie in komplexen Interventions-Methoden. Er berät Unternehmen auf der operativen Ebene in den Feldern PM-Methoden und -Instrumente, Coaching, Vorbereitung von Projekten auf PM-Awards. Seine Beratungstätigkeit umfasst Programme oder komplexe Projekte. | |
C | Projektmanager | PM-Consultant |
Er ist für das Management begrenzt komplexer Projekte verantwortlich und beherrscht die üblichen PM-Methoden, Tools und Prozesse. | Er hat Erfahrung in fundamentalen Beratungs-Methoden und -Instrumenten sowie in einfachen Interventions-Methoden. Er berät Unternehmen auf der operativen Ebene in den Feldern PM-Methoden und -Instrumente, Coaching, Vorbereitung von Projekten auf PM-Awards. Die Beratertätigkeit umfasst Einzelprojekte unterschiedlicher Komplexität. | |
D | Projektmanagementfachmann | Associated PM Consultant |
Er verfügt über ein breit gefächertes Wissen im PM und kann dieses anwenden. | Er kann Beratungs-Methoden, -Instrumente und einfache Interventions-Methoden anwenden und ist im Auftrag oder unter Verantwortung eines PM-Consultant bei Einzelaufgaben wie Moderation von Workshops und Besprechungen oder Auswertung von erhobenen Daten und Informationen tätig. |
Die Zertifikate haben eine Gültigkeit von fünf Jahren bevor sich der Inhaber einer Re-Zertifizierung unterziehen muss. Die Zertifizierung wird durch unabhängige Zertifizierungsstellen durchgeführt. In Deutschland ist dies die PM-Zert, die zwar eine Tochter der GPM ist aber rechtlich unabhängig und nicht an Weisungen der GPM gebunden ist.
Project Management Institute
Das Project Management Institute (PMI) wurde 1969 in den USA gegründet. Es ist Herausgeber des Project Management Body of Knowledge (PMBOK), das neben der ICB der IPMA den zweiten weltweit gültigen Standard für Projektmanagement darstellt.
Wissensgebiete des PMI
Analog zu den Kompetenzelementen der IPMA hat das PMI neun Wissensgebiete beschrieben, die im PMBOK ausführlich beschrieben sind:
Integrationsmanagement | Umfangsmanagement | Terminmanagement |
Kostenmanagement | Qualitätsmanagement | Personalmanagement |
Kommunikationsmanagement | Risikomanagement | Beschaffungsmanagement |
Prozessbegriff und Prozessgruppen des PMI
Das PMI bündelt seine Projektmanagementprozesse in verschiedene Prozessgruppen, die sich im Gegensatz zu den Kompetenzelementen der IPMA mehr an den Phasen eines Projektes orientieren. Damit legt das PMI einen größeren Fokus auf Projektmanagementprozesse als die IPMA. Das hat einerseits den Vorteil, dass eine art Checkliste entsteht, da in jedem Projekt unabhängig von sonstigen Rahmenbedingungen wie Art und Größe des Projektes, immer wieder die gleichen Prozesse „abgefahren“ werden und so Sicherheit entsteht und auch weniger kompetentes Projektpersonal in der Lage ist Projekte abzuwickeln (der Begriff „managen“ erscheint hier unangebracht). Andererseits besteht so die Gefahr, dass die Projekte im Formalismus versanden und die handelnden Personen nicht die in dynamischen Projekten notwendige Flexibilität in ihren Handlungen entwickeln können.
Im Einzelnen beschreibt das PMI folgende Prozessgruppen:
- Prozessgruppe der Initiierung,
die zu Beginn eines Projektes und zu Beginn einer jeden neuen Projektphase durchlaufen wird. - Prozessgruppe der Planung,
die alle Prozessschritte der Planung und Detaillierung eines Projektes beschreibt und sich dabei an den Projektzielen orientiert. - Prozessgruppe der Ausführung,
die die Steuerung des Ressourceneinsatzes und auch Teamentwicklung und Qualitätsmanagement beinhaltet. - Prozessgruppe der Überwachung,
die das laufende Monitoring und Controlling inklusive Änderungsmanagement beschreibt. - Prozessgruppe des Abschlusses,
die alle Prozessschritte zur Übergabe und adminstrativen Vertragsbeendigung beinhaltet.
Grundsätzlich wiederholen sich alle Prozessgruppen in unterschiedlicher Ausprägung in jeder wesentlichen Projektphase.
Das Zertifizierungssystem des PMI
Im Gegensatz zu den Zertifizierungen der IPMA bauen die unterschiedlichen Zertifizierungen des PMI nicht aufeinander auf. Da die Anforderungen sowohl in Bezug auf die Zugangsvoraussetzungen als auch in Bezug auf die Prüfung deutlich geringer sind als die der IPMA hat das PMI einen deutlich höheren Verbreitungsgrad, vor allem im amerikanischen Raum, gefunden. Eine Beraterzertifizierung existiert im Gegensatz zur IPMA nicht.
Folgende Zertifikate werden durch das PMI vergeben:
Zertifikat | Beschreibung |
---|---|
Program Management Professional | hat mind. 4 Jahre Erfahrung im Programm- und Projektmanagement, legt eine Prüfung über sein Wissen ab und unterzieht sich der Leistungsbewertung durch Kollegen |
Project Management Professional | hat Erfahrung von mind. 3 Jahren im PM und sich einer Prüfung seiner Kenntnisse gemäß PMI-Standard unterzogen, muss den Zertifizierungsanforderungen laufend genügen, was er durch den Erwerb von Credit-Points durch entsprechende Fortbildung nachweist |
Certified Associate in Project Management | verfügt über Basiskenntnisse im PM: Voraussetzung sind 1500 Std. Projektarbeit oder 23 Std. PM-Ausbildung |
Prince2 ist eine Methode zum Management von Projekten und steht für Projects in Controlled Environments. Sie wurde 1989 von der britischen Central Computer and Telecommunications Agency (CCTA) als Regierungsstandard für Projektmanagement von IT-Projekten entwickelt, fand aber bald über IT-Projekte hinaus weitere Verbreitung und ist aktuell der de facto Standard für PM in Großbritanien. Die aktuelle Version wurde 2009 vom Office of Government Commerce (OGC) veröffentlicht, das mittlerweile die CCTA abgelöst hat.
Prozessorientierung von Prince2
Analog zu PMI ist auch Prince2 prozessorientiert. Es werden acht Prozesse definiert, die phasenunabhängig bzw. phasenübergreifend gelten:
- Vorbereiten eines Projekts,
Starting up a project (SU) - Lenken eines Projekts,
Directing a project (DP) - Planung eines Projekts,
Planning (PL) - Initiieren eines Projekts,
Initiating a project (IP) - Steuern einer Phase,
Controlling a stage (CS) - Managen der Produktlieferung,
Managing product delivery (MP) - Managen der Phasenübergänge,
Managing stage boundaries (SB) - Abschließen eines Projekts,
Closing a project (CP)
Je nach Rahmenbedingungen des zu managenden Projektes müssen nicht immer alle Prozesse gleichermaßen zur Anwendung kommen, sondern können reduziert werden oder sogar ganz wegfallen.
Jeder Prozess ist in sogenannte Elemente unterteilt, die konkret vorgeben, was jeweils zu tun ist.
Ähnlich wie PMI bietet auch Prince2 den Vorteil einer durchgängigen Standardisierung, die sich am Best Practise im Projektmanagement orientiert und damit eine gute Grundlage bietet. Allerdings ist Prince2 sehr dokumentenlastig, was zuweilen von der eigentlichen Projektarbeit ablenkt und nicht im Sinne der Zielerreichung sein kann.
Komponenten zur Prozessunterstützung
Um die Prozesse effektiv und effizient durchführen zu können hat Prince2 acht Komponenten definiert, die die Prozesse unterstützen.
Dies sind im Einzelnen:
- Business Case
- Organisation
- Rollen
- Gremien
- Pläne
- Projektpläne
- Phasenpläne
- Teampläne
- Steuerungsmittel
- Risikomanagement
- Qualitätsmanagement
- Konfigurationsmanagement
- Änderungssteuerung
Das Zertifizierungssystem von Prince2
Die Zertifizierung erfolgt bei Prince2 durch beim „Office of Government Commerce“ akkreditierte Organisationen, die auch entsprechende Schulungen anbieten. Die Zertifizierungen bauen aufeinander auf, Voraussetzungen wie zum Beispiel praktische Erfahrung im Management von Projekten werden nicht gefordert.
Es gibt lediglich zwei Zertifikate:
Zertifikat | Beschreibung |
---|---|
Foundation Examination | einstündige Multiple-Choice-Prüfung zu den Grundlagen von Prince2 |
Practitioner Examination | dreistündige umfassende Multiple-Choice-Prüfung zu allen Belangen von Prince2; die Prüfung basiert auf einem fiktiven Projekt, das den Kandidaten erst im Rahmen der Prüfung präsentiert wird |
Weitere Projektmanagement-Standards und Systeme
Die wachsende Bedeutung von Projektmanagement in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass sich eine Reihe von Standards entwickelt hat und auch weiterhin entwickeln wird. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang sicherlich auch Agile Projektmanagementmethoden wie zum Beispiel Scrum. Neben diversen Branchenstandards haben sich aber auch innerhalb großer Organisationen PM-Standards entwickelt, die ihrerseits oft auf vorhandenen Standards wie der ICB oder dem PMBOK aufsetzen.
Neben den hier beschriebenen reinen Projektmanagementstandards gibt es darüber hinaus diverse andere Managementsysteme und Reifegradmodelle, wie zum Beispiel das Capability Maturity Modell Integration (CMMI) oder Software Process Improvement and Capability dEtermination (SPICE), die ebenfalls Bezug zum Projektmanagement nehmen.
Ebenfalls zahlreich sind Zertifizierungen am Markt entstanden, von denen sich aber neben den hier beschriebenen nur einzelne branchenspezifische durchsetzen konnten. Zu sehr zielen einzelne Zertifikate auf Nischen oder Gewinnmaximierung der jeweiligen Anbieter ab, als dass sie neben den Zertifikaten von IPMA und PMI weltweit und branchenübergreifend Akzeptanz und Anerkennung finden würden.
Ausblick, wo die Reise hingeht
Beim Blick in die Glaskugel sind besonders die aktuellen weltweiten Bemühungen um ein gemeinsam getragenes einheitliches Verständnis von Projektmanagement hervorzuheben. Dies findet vor allem darin seinen Ausdruck, dass derzeit im Rahmen der Neuformulierung der ISO-Normen zum Projektmanagement Experten fast aller einschlägigen Organisationen daran arbeiten, ein gemeinsames Dach zu bauen, unter dem die einzelnen bestehenden Standards Platz finden. Dieses gemeinsam dach wird zwar zunächst nur ein kleinster gemeinsamer Nenner sein können, hat aber andererseits auch katalytische Funktion für die einzelnen Standards und Systeme, die sich dann von einer gemeinsamen Basis aus weiterentwickeln werden.
Letzte Änderung am 5. Januar 2021 durch Benjamin Bolzmann