Umgang mit Widerstand im Projektmanagement

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Umgang mit Widerstand im Projektmanagement

Widerstand ist eines der häufigsten Phänomene mit denen sich Projektmanager in ihrer täglichen Projektarbeit auseinandersetzen müssen. Dabei steigen Widerstände gegen Projektarbeit und Projektinhalte oft proportional zur Komplexität der jeweiligen Projekte an. Viele technisch und methodisch versierte Projektleiter stehen diesem Problem oft hilflos gegenüber und sehen sich nicht oder nur eingeschränkt in der Lage diese Widerstände zu überwinden, geschweige denn im Sinne der Projektzielerreichung nutzbar zu machen. Diese Abhandlung soll das Phänomen „Widerstand“ betrachten, Hintergründe und Ursachen ergründen, sowie Handlungsempfehlungen für die praktische Arbeit in Projekten und im Changemanagement geben. Neben der Erkennung von Widerständen soll es vor allem um die Nutzung der mit Widerständen meist verbundenen latenten Energie gehen.

Begriffskärung

Um sich dem Begriff des „Widerstandes“ anzunähern seien zunächst verschiedene systemtheoretische Ansätze herangezogen werden:

Die Gestaltpsychologie definiert Widerstand als eine Reaktion auf externe Stimulation um Selbstbestimmung des Systems aufrecht zu erhalten.
Die Reaktanztheorie beschreibt Widerstand in diesem Zusammenhang als
Reaktion auf wahrgenommene Freiheitseinengung mit dem Ziel die eigene Handlungsfreiheit wieder herzustellen. Die Intensität des Widerstandes hängt demzufolge von vier wesentlichen Determinanten ab:

  1. die subjektive Wichtigkeit, die der Widerstand Leistende der Einengung zumisst
  2. der Umfang der wahrgenommenen Einschränkung
  3. der Überzeugung vor der wahrgenommenen Einschränkung ein höheres Maß an Freiheit gehabt zu haben
  4. der persönlichen Bereitschaft Widerstand zu leisten

Im Projekt- und Changemanagement tritt Widerstand oft sehr differenziert auf und ist auch nicht immer leicht erkennbar. Deshalb sollen in der Folge zunächst die verschiedenen Erscheinungsformen von Widerstand aufgezeigt werden.

Erscheinungsformen und Ausprägungen von Widerstand

Widerstand tritt im Change- und Projektmanagement in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen auf. In den meisten Fällen handelt es sich um verdeckten Widerstand der oft selbst den Widerstand ausübenden Personen nicht bewusst ist. Diese Tatsache macht es in der Praxis schwierig den Widerstand zu bearbeiten, da zunächst erst einmal das Bewusstsein dafür geschaffen werden muss. Dies ist um so schwieriger, da sich in diesem Zusammenhang eine Konfrontation mit den Widerstand ausübenden Personen meist nicht vermeiden lässt.

Offener Widerstand

Offener Widerstand zeichnet sich dadurch aus, dass er von den Widerstand ausübenden Personen bewusst ausgeübt wird und diese damit auch ein Ziel verbinden. Darüber hinaus legen es die Widerstand ausübenden Personen ganz bewusst darauf an, dass ihr Widerstand als solcher wahrgenommen und ihnen auch zugeordnet werden kann. Sie tun dies meist aus einer Position, der sie selber eine relative Machtfülle beimessen. Dieser offene Widerstand hat deshalb den Vorteil, dass er Gegenstand von Verhandlungen und Bearbeitung sein kann, die Karten liegen gewissermaßen auf dem Tisch.

Ausprägungen des offenen Widerstandes können sein:

  • Offener Widerspruch
  • Offene Kritik und / oder Beschwerden
  • Offene Interventionen oder Aktivitäten, die sich gegen das geplante Vorhaben richten.

Üblicher Weise liegen diesem offenen Widerstand rationale Ursachen zugrunde, die sich mit den Betroffenen besprechen lassen und an deren Überwindung alle Beteiligten ein Interesse haben. Diese Form des Widerstandes ist meist konstruktiv, so dass der Umgang mit offenen Widerstand möglich ist. Dadurch kann die Energie, die die Widerstand leistenden Personen in ihren Widerstand investiert haben, im Sinne der Projektzielerreichung kanalisiert werden, oder vereinfacht ausgedrückt: Der Gegenwind wird zu Rückenwind.

Verdeckter Widerstand

Wesentlich schwieriger ist der Umgang mit verdecktem oder latentem Widerstand. In diesem Zusammenhang haben die Widerstand ausübenden Personen üblicher Weise kein Interesse daran, erkannt zu werden. Aus persönlichen oder taktischen Gründen agieren sie aus dem Verborgenen heraus. Ihre Interessen sind meist destruktiver Natur, dass heißt, sie wollen etwas verhindern ohne als die Verursacher erkannt zu werden. In vielen Fällen ist es paradoxer Weise den Widerstand leistenden Personen noch nicht einmal bewusst, dass sie Widerstand leisten. Dadurch wird der Umgang mit dieser Form des Widerstandes zusätzlich erschwert. Wird der verdeckte Widerstand nicht rechtzeitig erkannt, entstehen leicht tickende Zeitbomben, die sich in ihrer Zerstörungskraft mit der Zeit immer weiter aufladen und Veränderungsprozesse, wie auch Projekte scheitern lassen können.

Symptome und Ausprägungen des verdeckten Widerstandes lassen sich in der praktischen Projektarbeit häufig und in vielfachen Ausprägungen beobachten:

  • Lustlosigkeit bei der Arbeit
  • sich häufende Abwesenheit, die nicht konkret nachvollziehbar ist oder aus vorgeschobenen Gründen bis hin zu steigender Krankheitsquote
  • sich unwissender stellen als man ist
  • sich häufende Fragen zu unwichtigen Themen
  • wiederholtes in Frage stellen bereits getroffener Entscheidungen
  • Ausweichen auf konkrete Aufforderungen etwas zu tun oder zu lassen
  • zunehmende Rückdelegation bereits angenommener Aufgaben
  • das Aussitzen von Problemen
  • hektischer Aktionismus in unwesentlichen Bereichen
  • das Einfordern von maximaler Einbeziehung von unwesentlichen Stakeholdern
  • das Schweigen an Stellen an denen Kommunikation angesagt wäre
  • das Fernbleiben von wichtigen Zusammentreffen bzw. das Entsenden nicht entscheidungsbefugter Vertreter
  • die Forderung nach perfekten Lösungen
  • die Forderung, dass andere sich zuerst bewegen
  • die ausgiebige Betrachtung und Diskussion von Sonderfällen
  • das grundsätzliche Zustimmen bei gleichzeitiger Anmeldung von Vorbehalten, die später geklärt werden sollen

Eindeutig zu diagnostizieren sind verdeckter oder latenter Widerstand nur in besonders ausgeprägten Fällen, da einzelne Symptome durchaus auch andere Ursachen haben können.

Widerstandsebenen gemäß der
“Theory of Constraints”

Eine bemerkenswerte Systematisierung von Widerständen wird von der ‚Theory of Constraints‘ (TOC) vorgenommen. Gemäß der von Dr. Eliyahu Goldratt formulierten Engpasstheorie treten Widerstände in Veränderungen üblicher Weise in verschiedenen aufeinander aufbauenden Ebenen auf:

  1. fehlende Übereinstimmung hinsichtlich des Problems
    In diesem Zusammenhang wird ein zu lösendes Problem entweder negiert oder sogar komplett in Abrede gestellt mit dem Ziel eine Veränderung zu verhindern.
  2. fehlende Übereinstimmung bezüglich der Problemverantwortung
    Das Problem wird zwar nun nicht mehr ignoriert, wohl aber die Verantwortung für das Problem. Ziel ist es, das Problem nicht selber lösen zu müssen.
  3. fehlende Übereinstimmung bezüglich der Lösung
    Nun wird immerhin die Problemverantwortung akzeptiert. Eine eventuelle Lösung wird hingegen abgelehnt, weil sie als nicht ausreichend dargestellt wird.
  4. fehlende Übereinstimmung bezüglich der Lösungsrichtung
    Die Lösung als solche wird zwar als wirkungsvoll akzeptiert, in der weiteren Diskussion aber dennoch abgelehnt weil die Lösungsrichtung abgelehnt wird.
  5. Ablehnung der Lösung aufgrund befürchteter Nebeneffekte
    Die Lösung wird abgelehnt, weil eventuelle Nebeneffekte als kritisch beurteilt werden.
  6. Ablehnung der Lösung aufgrund befürchteter Stolpersteine
    Die Lösung wird abgelehnt, weil man sich die Umsetzung aufgrund von befürchteten Stolpersteinen oder anderer Risiken nicht zutraut.
  7. die Lösung wird zwar grundsätzlich befürwortet, es wird allerdings erwartet, dass sich jemand anderes als erstes bewegt

 

Diese sieben Ebenen ermöglichen es den Verantwortlichen in einem Lösungsprozess einen strukturierten Prozess zur Überwindung der Widerstände zu beschreiben. Es bietet sich an, sich entlang der sieben Ebenen vor zu arbeiten, um so die bestehenden Widerstände rational aufzunehmen und in einer schlüssigen Argumentationskette strukturiert abzubauen.

Ursachen von Widerstand

Eisberg-Modell: Ursachen von Widerstand

Eisberg-Modell: Ursachen von Widerstand

Bei Kenntnis der Ursachen von eventuell auftretenden Widerständen lassen sie sich wesentlich leichter überwinden. Grundsätzlich lassen sich die Ursachen von Widerständen in rationale und in persönlich-emotionale Ursachen unterscheiden, wobei die Übergänge nicht trennscharf gehalten werden können. Zur Überwindung von Widerständen ist dies aber auch nicht notwendig.

Anschaulich dargestellt wird auch oft das Eisbergmodell herangezogen, demzufolge die rationalen Ursachen von Widerstand sichtbar an der Oberfläche sind, die persönlich-emotionalen jedoch an der breiten, nicht sichtbaren und deshalb gefährlichen Unterseite des Eisbergs.

Rationale Ursachen von Widerstand

Rationale Ursachen von Widerständen sind der Sachebene zuzuordnen. Sie beziehen sich auf rational nachvollziehbare und meist auch nachprüfbare Sachverhalte. Sie sind geprägt von objektiven Fakten und Logik, wie folgende, nicht vollständige Aufzählung deutlich macht:

  1. Ökonomische Aspekte
    eine andere Lösung als die angestrebte ist günstiger, effizienter oder besser finanzierbar als die angestrebte
  2. Technische Aspekte
    eine andere technische Lösung als die angestrebte wird für besser befunden (z. B. bessere Materialdaten, bessere Ausnutzung von Bauräumen, bessere Gewichtsdaten, usw.)
  3. Rechtliche Aspekte
    bei einer anderen als der angestrebten Lösung werden weniger rechtliche Probleme erwartet

Persönlich-emotionale Ursachen von Widerstand

Um den persönlichen Ursachen von Widerstand auf den Grund zu gehen lohnt sich ein Blick in den Konstruktivismus. Der Konstruktivismus beruht auf der Annahme, dass menschliches Handeln ursächlich auf die Deutung der Wirklichkeit durch die handelnden Personen zurück zu führen ist. Diese Deutung der Wirklichkeit beruht auf einer „Konstruktion“, die die handelnde Person in einem inneren Prozess vornimmt. Diese „Konstruktion“ der Wirklichkeit ist subjektiv und beruht auf den Erfahrungen, die die konstruierende Person in ihrem bisherigen Leben gemacht hat. Deshalb können auf gleicher objektiver Grundlage völlig unterschiedliche Konstrukte entstehen, die dann auch zu divergierendem Verhalten führen können.

Wenn also die eine Person in einer Situation an erfolgreiche Projekte aus der Vergangenheit erinnert wird, und dementsprechend positiv reagiert, so kann eine andere Person an entsprechende negative Erfahrungen erinnert werden und in den Widerstand gehen. Da es in der Projektarbeit üblicher Weise nicht möglich ist, sich gründlich mit der vollständigen Vorgeschichte und Sozialisation aller Beteiligten auseinander zu setzen, können also Widerstände persönlicher Natur auch überraschend auftreten. Häufigste Ursache ist in diesem Zusammenhang Angst, auch wenn diese in vielen Fällen von den Betroffenen verdrängt wird und deshalb oft sogar nicht bewusst ist:

  • Angst vor Kompetenzverlust
  • Angst vor Statusverlust
  • Angst vor mehr Kontrolle
  • Angst vor Transparenz
  • Angst vor Arbeitsplatzverlust
  • Angst davor Neues lernen zu müssen (not invented here)
  •  …

 

Neben diesen Ängsten können aber auch weitere persönliche und sehr subjektiv empfundene Aspekte Ursache von Widerstand sein:

  • Wissenslücken
  • Empfundene Unmündigkeitserklärung
  • Eigeninteressen
  • Soziale Situation am Arbeitsplatz
  • Subjektiv empfundener Zielkonflikt / Prioritäten-Konflikt
  • Persönliche Historie
  • Ignoranz
  • Sicherheitsbedürfnis
  • Empfundene Kritik am bisherigen Vorgehen
  • Bedürfnis nach Dazugehörigkeit
  • Bedürfnis nach Macht / Status
  • Rache

In der Praxis wird es meist nicht möglich sein, alle Ursachen von Widerständen vollständig zu erfassen. Auch wenn dies mitunter wünschenswert wäre, so ist doch festzuhalten, dass sich auch hier die Pareto-Regel anwenden lässt, der zu Folge 80 % aller Widerstände mit 20 % Aufwand bearbeitet werden können. Da dies zur Erreichung des Projektziels meist reicht, sollten die verbleibenden Ressourcen sinnvoller Weise in die Projektzielerreichung investiert werden.

Zusammenfassend ergeben sich aus der Aufteilung in rationale / sachliche und persönlich-emotionale Ursachen für Widerstand vier Widerstandstypen, die im weiteren Verlauf noch aufgegriffen werden:

  • Promotoren, die keinerlei Vorbehalte haben, sondern ganz im Gegenteil dabei helfen Widerstände zu überwinden
  • Skeptiker, die zwar sachliche Vorbehalte haben, Ihnen gegenüber aber auf der persönlichen Ebene keine Vorbehalte haben
  • Bremser, die sachlich zwar konform sind, Ihnen gegenüber aber persönliche Vorbehalte haben
  • Widerständler, die auf allen Ebenen Vorbehalte haben

Die in der folgenden Darstellung angegebenen Prozentwerte geben eine übliche Verteilung der unterschiedlichen Typen in Veränderungsprojekten wieder. Diese Verteilung kann im konkreten Einzelfall erheblich abweichen und vor allem durch gezielte Maßnahmen (siehe unten) auch verändert werden.

Umgang mit Widerstand

Umgang mit Widerstand

Positive Aspekte von Widerstand

Bevor in der Folge auf den Umgang mit Widerstand eingegangen wird, soll dieser zunächst von einer etwas ungewohnten Seite betrachtet werden. Üblicher Weise ist Widerstand im Projekt- und Changemanagement negativ behaftet. Er führt zu Konflikten, Terminverzögerungen und Mehraufwendungen. Dennoch hat Widerstand auch sehr positive Aspekte. Diese zu überdenken verändert alleine oft schon die Haltung zum Widerstand und ist dadurch der Schlüssel zur Überwindung des Widerstandes:

  • Widerstände sind ein Zeichen dafür, dass sich etwas verändert.
    Gibt es keinen Widerstand, verändert sich auch nichts.
  • Widerstände sind Anknüpfungspunkte für Kommunikation und ermöglichen das  Eingehen auf die Betroffenen, Widerstand enthält immer eine Botschaft.
  • Das Auftreten von Widerständen zeigt, dass Sie sich der Wahrheit nähern.
  • Widerstände bieten die Möglichkeit vom Betroffenen zu lernen.
  • Widerstände machen Positionen deutlich, die die Beteiligten eingenommen haben.
  • Widerstände können ein Zeichen dafür sein, dass das Veränderungstempo zu hoch ist.
  • Widerstände bieten die Möglichkeiten das eigene Verhalten zu reflektieren.
  • Unterschwellige Widerstände lassen auf die blinden Flecken der Beteiligten schließen.
  • Widerstände geben Hinweise auf weitere, bisher unerkannte Probleme.
  • Widerstände sind oft mit viel latenter Energie verbunden, die sich bestenfalls bei Überwindung des Widerstandes im Sinne der Projektzielerreichung kanalisieren lässt.
  • Gäbe es keine Widerstände, würde das möglicherweise bedeuten, dass sich nichts wirklich verändert und dass niemand Angst hat irgendetwas zu verlieren. Das ist zwar grundsätzlich immer anzustreben, in der Praxis aber ausgesprochen selten.

Umgang mit Widerstand

Eine der wesentlichen Erfahrungen im praktischen Umgang mit Widerständen ist, dass die Ignoranz oder nicht Beachtung von Widerständen zu Blockaden führt. Dies soll nicht zwangsläufig bedeuten, dass Widerstände immer im Sinne der Widerständler zu handhaben sind. Eine völlige Ignoranz führt aber meistens auch nicht weiter. Vielmehr kommt es darauf an, auf geäußerte oder latent vorhandene Widerstände eine Antwort zu geben und für klare Verhältnisse zu sorgen, auch wenn die Klarheit nicht immer im Sinne der Widerstand leistenden Personen ist.

Eine weitere praktische Erfahrung lehrt, dass es oft wesentlich leichter ist, mit dem Widerstand zu gehen, statt gegen ihn anzukämpfen. Die Energie des Widerstandes wird so für das Projektziel kanalisiert statt gegen es gerichtet zu werden. Außerdem wird so das Signal gesetzt, das Vorbehalte und Ängste ernst genommen werden.

Grundsätzliche Empfehlungen zu den unterschiedlichen Widerstandstypen

Die oben bereits beschriebenen unterschiedlichen Typen von Widerstand leistenden Personen erfordern unterschiedliche Strategien, um die vorhandenen Widerstände abzubauen. Elementar ist das aus dem Harvard Verhandlungskonzept bekannte Prinzip, dass zunächst die Beziehungsebene geklärt werden sollte, bevor es auf der Sachebene zu Verhandlungen kommt. Für den Umgang mit Widerstand bedeutet dies, dass im ersten Schritt Aktivitäten mit den Promotoren ergriffen werden, um diese zu starken Verbündeten zu machen, die dann in der Folge auch als Fürsprecher und Unterstützer agieren.

Umgang mit Widerstand

Umgang mit Widerstand

Im zweiten Schritt werden die sachlichen Vorbehalte der Skeptiker aufgegriffen. Da hier die Beziehungsebene intakt ist, kann mit diesen aktiv an den Vorbehalten gearbeitet werden. Da diese sachlichen Vorbehalte meist im Sinne des Projektes aufgegriffen werden können (mit dem Widerstand gehen, siehe oben) ist eine Lösung meist zur Zufriedenheit aller Beteiligten möglich. Im Idealfall ist damit schon fast die Hälfte der Beteiligten eingebunden. Außerdem wurde das Zeichen gesetzt, dass man Vorbehalte ernst nimmt und bereit ist mit ihnen zu arbeiten.

Dies ist eine wichtige Voraussetzung für den nächsten Schritt, in dem es darum geht, die Bremser einzubinden und ihre persönlichen Vorbehalte abzubauen. Dazu helfen vor allem persönliche Gespräche, teilweise auch unter vier Augen.

Ob es in der Folge gelingt, auch die Widerständler einzubinden ist fraglich, vor allem unter Effizienzgesichtspunkten. Es sollte auf jeden Fall die Möglichkeit geprüft werden, ob es möglich ist, diese Widerständler aus dem Kontext zu entfernen, indem ihnen andere Aufgaben zugewiesen werden oder sogar eine Trennung erwogen wird. Dies ist vor allem deshalb wichtig, weil das alte Sprichwort „Ein fauler Apfel verdirbt die ganze Stiege“ gilt. Das heißt die Ignoranz oder Akzeptanz dieser Widerständler birgt das Risiko der Ausstrahlung auf andere, grundsätzlich positiv eingestellte Personen in sich.

Ebenen der Veränderung und des Widerstands

Da Widerstand üblicherweise eng verknüpft ist mit Veränderungen, wird an dieser Stelle auch auf die von Robert Dilts beschriebenen Ebenen von Veränderungen eingegangen werden:

Ebenen der Veränderung und des Widerstands

Ebenen der Veränderung und des Widerstands

Robert Dilts beschreibt fünf logische Ebenen der Veränderung:

  1. die Umwelt, der gesamte externe Kontext, den wir wahrnehmen und der auf uns einwirkt (wann und wo bewegen wir uns im Projekt oder Veränderungsprozess?)
  2. das Verhalten, unsere Aktionen und Reaktionen in dieser Umwelt
  3. die Fähigkeiten, die durch unsere kognitiven Modelle bestimmten Strategien, die unser Verhalten in der Umwelt steuern (Welche Fähigkeiten haben wir, mit welchen Fähigkeiten agieren wir?)
  4. das Glaubenssystem (Glaubenssätze und Werte), welches unsere Fähigkeiten und unser Verhalten in der Umwelt steuert (warum machen wir das, was wir tun, wofür ist das Ganze gut?)
  5. die Identität, gewissermaßen die Summe und das Produkt der anderen vier Ebenen (wer sind wir in dem was wir tun?

Tritt in einem Veränderungsprozess oder einem Projekt ein Problem auf, sollte zunächst geklärt werden, welche der logischen Ebenen bei diesem Problem beteiligt sind. Im allgemeinen wird davon ausgegangen, dass ein Problem nicht (ausschließlich) auf der logischen Ebene gelöst werden kann, auf der es in Erscheinung tritt, vielmehr muss die Lösung auf mindestens einer anderen (meistens einer höheren) gesucht werden. Dabei wird den Glaubenssätzen nach Dilts, bezogen auf die Lösung von Problemen und auf die Erreichung von Zielen, eine besonders große Bedeutung beigemessen.

Diese Erkenntnis steht im Einklang mit den Erfahrungen, dass die wesentlichen Ursachen von Widerstand meist auf der persönlichen Ebene zu suchen sind, da das jeweilige Glaubenssystem der beteiligten Personen eine sehr persönliche Eigenschaft ist.

Übergreifende Empfehlungen zum Umgang mit Widerstand

Unabhängig von den beiden oben vorgestellten Modellen zum Umgang mit Widerstand haben sich in der praktischen Arbeit in Projekten und Veränderungsprozessen folgende Ratschläge bewährt:

  1. Schaffen Sie Transparenz, Widerstand kann nur bearbeitet werden, wenn alle Beteiligten wissen, worum es geht.
  2. Stellen Sie aktiven Kontakt zu allen relevanten Stakeholdern her und pflegen Sie diese Beziehungen sorgfältig, sie sind die Grundlage für die Überwindung von Widerständen.
  3. Wechseln Sie die Sichtweisen und Perspektiven auf Widerstände und fordern Sie dies auch aktiv von allen Beteiligten ein, Sie werden interessante Erfahrungen machen.
  4. Zeigen Sie die Konsequenzen des Widerstandes auf: Was wird nicht mehr möglich sein, wenn der Widerstand aufrecht erhalten wird?
  5. Intervenieren Sie paradox, nutzen Sie den damit verbundenen Überraschungseffekt.
  6. Betreiben Sie aktives Marketing für Ihre Sache, es wird sich langfristig lohnen.
  7. Erkennen Sie Ängste, versuchen Sie diese frühzeitig abzubauen.
  8. Nur wenn es gar nicht anders geht: Brechen Sie Widerstand, indem Sie Ihre aufgebauten Netzwerke und Beziehungen machtvoll nutzen.
Präventive Maßnahmen gegen Widerstand

Die eleganteste Form im Umgang mit Widerstand ist es, ihn gar nicht erst aufkommen zu lassen. Hierzu bieten sich verschiedene präventive Maßnahmen an, die vor allem im Umfeld von umfassenden Veränderungsprozessen in Organisationen beachtet werden sollten.

Neuerungen werden besser aufgenommen, wenn:

  1. Vorteile erkennbar
    Die Erkennbarkeit von Vorteilen, vor allem auf der persönlichen Ebene (was habe ich eigentlich davon?), erleichtert es eventuell bestehende Ängste oder Unsicherheiten abzubauen.
  2. Neues leicht anpassbar an vorhandene Systeme
    Der berühmte „Big Bang“ hat den Nachteil, der vollständigen Veränderung, d. h. konkret die Beteiligten müssen alles bisher gewesene hinter sich lassen, was große Ängste mit sich bringt. Daher ist es von Vorteil, wenn die Perspektive aufgebaut wird, dass nur einzelne Aspekte verändert werden, die sich gut in die bisherige Umgebung anpassen lassen. Menschen lernen am besten, wenn sie 50 % neues Wissen mit 50 % vorhandenem Wissen verknüpfen können.
  3. Einfachheit des Neuen
    Wenn Neues einfach ist, fällt es den Beteiligten leichter es zu akzeptieren, Ängste können abgebaut werden oder entstehen erst gar nicht.
  4. Schrittweise Einführung – Möglichkeit des Ausprobierens
    Die Schrittweise Einführung von Neuerungen, verbunden mit der Möglichkeit des Ausprobierens baut Ängste ab. Wenn die Möglichkeit besteht Verbesserungsvorschläge einzubringen, und diese auch umgesetzt werden, kann zusätzliche Sicherheit aufgebaut werden.
  5. Übertragbarkeit von bekannten Funktionen / Abläufen
    Ähnlich wie im vorangegangenen Punkt geht es auch hier um das Erzeugen von Sicherheit und die Begrenzung von Ängsten.
  6. Umkehrbarkeit des Neuen
    Die Umkehrbarkeit des Neuen, gibt den Beteiligten die Sicherheit, dass es notfalls möglich ist, zu den bekannten Abläufen / verfahren zurück zu kehren und nimmt Ängste.
  7. Relative Kostspieligkeit (Nutzen übersteigt Kosten)
    Da die Nutzenorientierung ein starkes Argument ist, kann dieses flankierend angeführt werden. Es sollte allerdings beachtet werden, dass dadurch Ängste oft nicht abgebaut werden und auch keine zusätzliche Sicherheit entsteht.
  8. Negative Folgen / Risiken sind begrenzt
    Dieser Aspekt zielt ähnlich wie die anderen Aspekte auch darauf ab Ängste zu minimieren.

  9. Unzufriedenheit mit der bestehenden Situation nutzen
    Nutzen Sie die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation, indem Sie aufzeigen, inwieweit Ihr Ansatz Verbesserungen der Situation ermöglicht. Dadurch schaffen Sie Sicherheit und eine Sogwirkung.
  10. Formulieren Sie eine konkrete und attraktive Zielvorstellung
    Dadurch gewinnen Sie Akzeptanz und können eine Sogwirkung und Begeisterung erzeugen. Flankierend sollten Sie darauf achten, Ängste zu erkennen und abzubauen.
  11. Ermöglichen Sie Erfolgserlebnisse

Erfolgserlebnisse sind ein starker Motivator und beweisen gerade am Beginn von Projekten und Veränderungsprozessen die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Auch wenn sie noch so klein sind entfalten sie eine positive Sogwirkung. Deshalb sollten Sie bereits bei der Planung von Projekten und Veränderungsprozessen berücksichtigen, dass schon in der Frühphase Erfolgserlebnisse eingeplant und angemessen inszeniert werden.

Ausblick

Widerstand und der Umgang damit wird auch in der Zukunft nicht an Bedeutung verlieren. Durch die steigende Dynamik in fast allen Bereichen der Wirtschaft und des menschlichen Miteinanders wird der souveräne Umgang mit Widerstand eher noch an Bedeutung gewinnen. Erfolgskritisch in diesem Zusammenhang wird sein, Widerstände nicht einfach nur zu brechen oder zu überwinden, sondern die in ihnen vorhandene latente Energie nutzbar zu machen.