Risikomanagement
Risikomanagement
Da Projekte bereits per Definition risikobehaftet sind, ist eine vorausschauende Steuerung der eventuell eintretenden Risiken unerlässlich. Vergegenwärtigen wir uns weiterhin, dass Projekte Neues in die Welt bringen sollen, dazu normalerweise nur ein knappes Budget zur Verfügung haben und außerdem meistens noch unter Zeitdruck gearbeitet wird, ist die Notwendigkeit nicht mehr in Frage zu stellen. Umso erstaunlicher ist, dass Risiken in der Praxis zwar oft den Beteiligten mehr oder weniger unbewusst geläufig sind, sie aber in vielen Fällen nicht ansatzweise gesteuert werden.
Risikodimensionen
Ein Risiko ist eine ungeplante, negative Planabweichung (bei einer positiven Planabweichung würde man von einer Chance sprechen). Um die Größe eines Risikos einschätzen zu können, wird es sinnvoller Weise in seine Bestandteile zerlegt:
Eine Größe des Risikos ist die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Planabweichung. Je höher diese ist, umso größer ist das Risiko. Die zweite Größe ist die Auswirkung einer Planabweichung. Je größer diese ist, umso größer ist das Risiko. Zur Berechnung des Risikos wird das Produkt aus diesen beiden Zahlen gebildet. Üblicherweise werden Skalen von eins (sehr niedrig) bis zehn (sehr hoch) genutzt.
Als Beispiel sei das Risiko bewertet, dass die Projektleitung bei einer Bahnfahrt von Hamburg nach München bei einem Unfall ums Leben kommt. Die Auswirkung für das Projekt wäre wahrscheinlich ziemlich hoch, also zum Beispiel mit acht zu bewerten. Die Eintrittswahrscheinlichkeit hingegen wäre extrem niedrig, also mit eins zu bewerten. Das Risiko insgesamt läge also bei acht. Wäre nicht die Projektleitung betroffen, sondern ein leicht ersetzbarer Mitarbeiter irgendeines nachrangigen Arbeitspaketes wäre das Risiko für das Projekt noch niedriger (unabhängig von der damit verbundenen persönlichen Tragödie im Umfeld des Betroffenen).
Anders hingegen wäre das Risiko unerwarteter Terminverschiebungen zu bewerten. Jeder, der schon einmal Projektarbeit gemacht hat, weiß, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit einer solchen negativen Planabweichung fast unvermeidlich (also neun oder zehn) ist. Sind in diesem Zusammenhang gewisse Zeitpuffer eingeplant worden, kann die Auswirkungen solcher Planabweichungen mit mittel (also z. B. fünf) bewertet werden, was immer noch zu einem Risikowert von fünfzig führt. Wurden die Zeitpuffer bereits „eingespart“ ist auch die Auswirkung auf den Projekterfolg dramatisch hoch. Rational wird sich dieser Argumentation niemand entziehen können, in Projekten geschieht dies leider jeden Tag.
Werden Risiken rechtzeitig erkannt, können sie meistens noch derart gesteuert werden, dass sie die Erreichung des Projektziels nicht wirklich gefährden. Gerade das vollständige Erkennen aller Risiken ist aber in der Praxis oft nicht immer so einfach, wie in dem beschriebenen Beispiel der Terminproblematik. Deshalb kann es sinnvoll sein, als dritte Determinante des Risikos die Erkennungswahrscheinlichkeit zu definieren. Risiken, deren Eintreten so rechtzeitig erkannt werden kann, dass man genügende Zeit zur Reaktion hat, werden niedrig bewertet, Risiken, die man erst erkennen kann, wenn es zu spät ist, werden entsprechend höher bewertet.
Risikoerkennung in der Praxis
In der Praxis besteht die Herausforderung nicht darin, die hohen Projektrisiken zu erkennen. Vielmehr geht es darum, möglichst alle Risiken zu erkennen, wobei es in der Natur des Risikos liegt, dass dies nicht möglich ist. Gleichzeitig ist es möglich, eine möglichst hohe Annäherung an das Optimum zu erreichen. Dazu wird generell in interne und externe Projektrisiken unterschieden. Interne Risiken sind solche, die unmittelbar aus dem Projekt herrühren, also zum Beispiel, das Risiko, dass eine gewisse technische Innovation nicht serienreif entwickelt werden kann. Diese Risiken lassen sich meistens recht einfach aufdecken, wenn alle Arbeitspaketverantwortlichen ihre jeweiligen Arbeitspakete auf Risiken hin analysieren. Da per Definition die Summe aller Arbeitspaketaktivitäten zur Projektzielerreichung führt, sind auf diese Art und Weise auch alle internen Risiken erkennbar.
Schwieriger wird die Erkennung der externen Risiken, da diese oft gerade aus Bereichen kommen, in die das Projektteam keinen ausreichenden Einblick hat. Zusätzlich kann es sein, dass die zur Beurteilung notwendige Kompetenz nicht vorhanden ist. So kann zum Beispiel ein Projektteam, das vor allem aus Ingenieuren besteht zwar hervorragend die neuesten technischen Innovationen entwickeln, tut sich aber vielleicht schwer darin, die Reaktion des Wettbewerbs darauf abzuschätzen. In der Konsequenz besteht das Risiko einer völligen Fehlentwicklung, die zwar technisch brillant ist, sich am Markt aber wahrscheinlich nicht durchsetzen kann.
Eine Lösung dieses Problems bietet die Umfeldanalyse, in der alle Einflüsse analysiert werden, die von außen auf das Projekt einwirken. Wenn sich das Projektteam seiner eventuell vorhandenen blinden Flecken bewusst ist, wird es für diese Bereiche zusätzliches Knowhow mit einbinden, um diese Risiken rechtzeitig entdecken und beurteilen zu können.
Die Risikomatrix
Zur übersichtlichen Darstellung der identifizierten Risiken wird die Risikomatrix genutzt. Auf den beiden Achsen werden jeweils die Eintrittswahrscheinlichkeit und die Auswirkung aufgetragen. Durch diese Art der Visualisierung besteht der Vorteil, das gesamte Projekt in einer Darstellung präsentieren zu können. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, als dritte Dimension, die Zeit darzustellen und auf diese Art und Weise eine Risikotrendanalyse zu erhalten. So wird es möglich die schleichende Entwicklung von Risiken zu verfolgen und rechtzeitig Maßnahmen zur Risikominimierung zu definieren. Da diese Maßnahmen oft mit erheblichen Kosten verbunden sind, ist es umso wichtiger gegenüber dem Management mit Hilfe der Risikomatrix sauber argumentieren zu können.
Zusätzlich ist es möglich, eine Interventionslinie in der Matrix einzuzeichnen, die alle „normalen“ Risiken von den wirklich kritischen Risiken abgrenzen. Ob eine solche Linie wirklich notwendig ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Sie hat den Vorteil, dass alle Risiken jenseits dieser Linie in den meisten Fällen wirklich ernst genommen werden. Der Nachteil ist, dass der alle anderen Risiken dafür gerne vernachlässigt werden und sich so unbemerkt ebenfalls verstärken.
Konsequenzen aus der Risikoanalyse
Die Risikoanalyse macht nur dann Sinn, wenn aus ihr auch Schlüsse gezogen und Maßnahmen abgeleitet werden. Die Prioritäten leiten sich dabei aus der Lage der Risiken in der Matrix ab. Um die Risiken zu minimieren sind nun entsprechende Maßnahmen zu definieren, die in das ganz normale Projektmanagement mit einfließen. Wird in diesem Zusammenhang eine Offene-Punkte-Liste verwendet, kann automatisch sichergestellt werden, dass die Maßnahmen mit SMART-Zielen definiert und Verantwortlichkeiten geklärt sind.
Wichtig ist jedoch auch, dass allen Beteiligten klar ist, dass dies erst der Beginn des Risikomanagements und nicht etwa schon das Ende ist. Risiken müssen während des gesamten Projektverlaufs bearbeitet werden. Das bedeutet, dass das Risikomanagement in jeder Projektteamsitzung seinen Platz haben sollte und die initiierten Maßnahmen ständig auf ihren Umsetzungsstatus geprüft werden müssen und ebenfalls ständig hinterfragt werden muss, ob sie überhaupt noch Sinn machen oder ob sich die Rahmenbedingungen zwischenzeitlich verändert haben.
Der Risikobeauftragte
Organisatorisch kann es Sinn machen, einen Risikobeauftragten oder auch einen Risikomanager zu benennen. Aufgabe des Risikobeauftragten wäre es, permanent die sich abzeichnenden Risken des Projektes zu überwachen und zu hinterfragen. Er wird somit das Frühwarnsystem des Projektes. Sorgen Sie dafür, dass seine Rolle derartig geklärt ist, dass er nicht als Miesmacher, „schwarzer Sheriff“ oder als Aufpasser verstanden wird. Vielmehr sollte er als Unterstützer verstanden werden. In der Praxis ist die Rolle des Risikobeauftragten allerdings nicht ganz unproblematisch: Es besteht die Gefahr, dass genau diese Rollendefinition nicht gelingt und eventuelle Risiken vor ihm geheim gehalten werden. Ein anderes gefährliches Szenario ist, dass alle Projektteammitglieder davon ausgehen, dass nun ja jemand da ist, der sich um Risiken kümmert und sie selbst damit aus der Verantwortung entlassen sind.
Verantwortung
Die Verantwortung für den Aufbau des Risikomanagements liegt bei der Projektleitung. Sie hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Beteiligten regelmäßig über ihre jeweiligen Risiken berichten und alle definierten Maßnahmen vereinbarungsgemäß umgesetzt werden.